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Zeitungsseiten in einem Kiosk

VON PETER KORFMACHER
erschie­nen in der Leip­zi­ger Volks­zei­tung am 25. Sep­tem­ber 2017

"Ein­zig­ar­tig am Leip­zi­ger Musik­fes­ti­val für Kin­der ist", sagt Kulturbürgermeisterin Ska­di Jen­ni­cke in Ver­tre­tung des Schirm­herrn Burk­hard Jung zur Begrüßung, "dass hier klas­si­sche Musik nicht für Kin­der zurecht­ge­stutzt, son­dern im Ori­gi­nal präsentiert wird". Wer auch immer ihr dies auf­ge­schrie­ben haben mag – er oder sie irrt. Zum Glück. Denn im Ori­gi­nal wäre Mozarts "Così fan tut­te", mit der Chris­tia­ne Bräutigams ein­zig­ar­ti­ges Fes­ti­val in der Refor­mier­ten Kir­che beginnt, eine für Kin­der gewiss zu har­te Nuss. Sie wäre es wegen der Aufführungsdauer. Sie wäre es, mehr noch, wegen der bes­ten­falls des­il­lu­sio­nie­ren­den Ana­ly­se mensch­li­cher Trieb­haf­tig­keit. Sie wäre es, erst recht, wegen der musi­ka­li­schen Anfor­de­run­gen. Denn zum Ein­zig­ar­ti­gen die­ses Fes­ti­vals, das Bräutigam seit 2006 orga­ni­siert, gehört, dass Kin­der nicht nur berie­selt oder berei­chert wer­den, son­dern dass sie mit­tun dürfen. Und im Ori­gi­nal wäre auch der Sol­da­ten­chor, den hier der Kin­der­chor der Scho­la Can­torum bei­steu­ert, nicht zu stemmen.

Es geht bei "Klas­sik für Kin­der" um den Geist der Klas­sik. Und dem kommt die­ses gut einstündige Così-Destillat recht nahe. Weil es Chris­ti­an Kabitz, der die Kin­der-Fass­sung erar­bei­tet hat und als Spiel­lei­ter inter­ak­tiv durch den Abend führt, gelingt, die Ver­suchs­an­ord­nung die­ser zynischs­ten aller Mozart-Opern auf die Ziel­grup­pe her­un­ter­zu­bre­chen und mit einer immer noch überraschenden Happy-End-Lösung ver­dau­lich zu machen. Und weil die Solis­ten trotz untaug­li­cher deut­scher Tex­te durch die Bank exzel­lent sin­gen: Jule Rosa­lie Vor­tisch als aller­dings ganz oben Intonationsgefährdete Fior­di­li­gi, Marie Hen­ri­et­te Rein­hold als saft- und kraft­voll sinn­li­che Dora­bel­la, And­ré Kha­mas­mie als pracht­vol­ler Fer­ran­do, Domi­nic Gro­ße als viri­ler Gugliel­mo, Fre­de­rik Tucker als sono­rer Strip­pen­zie­her Don Alfon­so und Vere­na Barth-Jur­ca als wacker char­gie­ren­de Despi­na. Dazu steu­ert das Kin­der­bal­lett des Inter­na­tio­na­len cho­reo­gra­phi­schen Zen­trums Leip­zig Monts­er­rat Leons ziel­grup­pen­ge­rech­ten Tanz bei und der Kam­mer­chor Cant­are ein acht­ba­res Erwach­se­nen-Tut­ti. Hin­ter allen pro­du­ziert das Orches­ter der Musi­ka­li­schen Komödie einen trans­pa­ren­ten, ener­gie­ge­la­de­nen, dich­ten Mozart-Ton, den Bräutigam am Pult erfolg­los im unverfänglichen Andan­te-Mez­zo­for­te zu hal­ten bemüht ist.

Und das ist, neben dem ges­tern been­de­ten Kom­po­si­ti­ons­wett­be­werb für Kin­der, das ent­schei­den­de Allein­stel­lungs­merk­mal die­ses Fes­ti­vals: Bräutigam gelingt das Kunststück, auch kom­ple­xes­te Meis­ter­wer­ke auf­zu­bre­chen für die Ziel­grup­pe: Die Stim­mung in der bes­tens besuch­ten Kir­che ist von aus­ge­las­se­ner Auf­merk­sam­keit. Die Kin­der hängen Kabitz an den Lip­pen, sind aber durch­aus auch zu Wider­wor­ten auf­ge­legt. Zur Musik ste­hen die Münder offen – und im ita­lie­ni­schen Ori­gi­nal, das Fer­ran­do immer­hin für sei­ne Roman­ze bemühen darf, tun sie es nicht weni­ger. Denn Kabitz’ Ver­si­on funk­tio­niert so gut, dass es nicht Not täte, Mozarts herr­li­che Musik auf dem Altar der unge­lenk durch törichte Rei­me tor­keln­den Übersetzung zu schlach­ten. Die begeis­ter­te Anspan­nung im Kir­chen­raum zeigt es so deut­lich wie der Jubel hernach.

Titelfoto: AbsolutVision
Die Schola Cantorum Leipzig wurde 1963 gegründet und vereint heute etwa 300 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in verschiedenen Ensembles.
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