Skip to content
Weihnachtssterne aus Papier

Im Lau­fe des Jah­res gibt es wohl kaum einen Monat, der mit so vie­len Super­la­ti­ven auf­war­tet, wie der Dezem­ber (ursprüng­lich und bis 153 v. Chr.: der zehn­te Monat [decem "zehn"] des römi­schen Mond­ka­len­ders). Wenn die Son­ne über dem Wen­de­kreis des Stein­bocks am süd­li­chen Brei­ten­grad von 23° 26,3′ steht, dann erle­ben wir auf der Nord­halb­ku­gel den kür­zes­ten Tag und die längs­te Nacht des Jah­res. Es ist inso­fern nicht ver­wun­der­lich, dass sich der Mensch im wahr­schein­lich dun­kels­ten aller Mona­te, im Advent (adven­tus "Ankunft"), Licht macht und Ker­zen anzündet.

Sicher­lich ist es auch irgend­wie bio­lo­gisch erklär­bar, dass vor den nahen­den, kal­ten Win­ter­mo­na­ten jede erdenk­li­che Ener­gie­re­ser­ve in Form von Hüft­gold gut und rich­tig inves­tiert scheint: In kaum einem ande­ren Monat naschen und schlem­men wir so viel. Auch, wenn das in einer Über­fluss­ge­sell­schaft wie der unse­ren wohl kaum noch über­le­bens­not­wen­dig ist und daher Nahrungs‑, Genuss­mit­tel- und spä­tes­tens ab Janu­ar die Fit­ness­in­dus­trie die größ­ten Nutz­nie­ßer sind.

In kei­nem Monat beschen­ken wir so viel: Ursprüng­lich am Niko­laus­tag, dem 6. Dezem­ber, pro­pa­gier­te Luther nach der Refor­ma­ti­on das Weih­nachts­fest als Alter­na­ti­ve zur bis­he­ri­gen Geschenk­sit­te, um so das Inter­es­se der Kin­der (weg von der Hei­li­gen­ver­eh­rung) hin zum Fest der Geburt Chris­ti zu len­ken. Luther hät­te sich wohl Anfang des 16. Jahr­hun­derts nicht im Traum aus­ma­len kön­nen, dass ein gro­ßer ame­ri­ka­ni­scher Geträn­ke­her­stel­ler Anfang der 30er Jah­re des vori­gen Jahr­hun­derts den Start­schuss für eine der größ­ten Kom­mer­zia­li­sie­rungs­kam­pa­gnen der Mensch­heits­ge­schich­te gibt: In kaum einem ande­ren Monat geben wir so unge­hemmt so viel Geld aus, allein in der Sil­ves­ter­nacht 2017 schos­sen die Deut­schen rund 137 Mil­lio­nen Euro in den bes­ten­falls kla­ren Nacht­him­mel. (Zum Ver­gleich: Das Spen­den­auf­kom­men der Welt­hun­ger­hil­fe lag im im gesam­ten Jahr 2017 bei rund 63,8 Mil­lio­nen Euro.)

Auch Chö­re und Vokal­ensem­bles spre­chen ange­sichts der letz­ten Wochen des Jah­res von “Hoch­kon­junk­tur” und mei­nen damit die vie­len ver­schie­de­nen Gele­gen­hei­ten, an denen ihre Musik (trotz Kon­ser­ven­dau­er­be­schal­lung in jedem Kauf­haus und an jeder Ecke des Weih­nachts­mark­tes) im Dezem­ber nicht weg­zu­den­ken ist. In kei­nem ande­ren Monat des Jah­res lau­schen so vie­le Men­schen so andäch­tig in Kir­chen, in Pas­sa­gen oder im Kon­zert­saal der mensch­li­chen Stim­me in der Viel­falt ihrer Mög­lich­kei­ten. Wor­an liegt das?

Warum singt der Mensch?

 

Ob als Über­rest evo­lu­tio­nä­ren Revier­ver­hal­tens, ob als Mit­tel der Kom­mu­ni­ka­ti­on oder aus sozia­len Grün­den, weil sin­gen den Zusam­men­halt oder das Immun­sys­tem stärkt: “Kein Instru­ment der Welt kann uns so tief berüh­ren, wie der Klang einer mensch­li­chen Stim­me”, sagt Prof. Eck­art Alten­mül­ler, Direk­tor des Insti­tuts für Musik­phy­sio­lo­gie und Musi­ker­me­di­zin in Han­no­ver. Viel­leicht gibt es – gera­de im Dezem­ber und beson­ders in unse­rer Zeit – irgend­wo zwi­schen Früh­stück und Gän­se­bra­ten, neben allem vor­weih­nacht­li­chen Getrie­ben­sein und abseits aller zu kna­cken­den Rekord­mar­ken eine tief ver­wur­zel­te, mensch­li­che Sehn­sucht nach genau sol­chen tie­fen, emo­tio­na­len Momenten?

Ich wün­sche Ihnen und Euch eine besinn­li­che und berüh­ren­de Advents­zeit, ein fried­li­ches Weih­nachts­fest und ein gutes neu­es Jahr!

Im Namen aller Mitarbeiter,
Mar­cus Friedrich

Titelfoto: Pixabay
An den Anfang scrollen