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Krakau bei Abenddämmerung

VON CASSANDRA KESKIN, SOPHIA BUHL UND LINA MÄRTENS

Tag 1 | Donnerstag, 10. Mai 2018

10:01 Uhr: Wir, Mäd­chen- und Frau­en­chor der Scho­la Can­torum Leip­zig, sind fern­ab jeg­li­cher Zivi­li­sa­ti­on mit dem Rei­se­bus auf dem Weg nach Kra­kau. 10:42 Uhr: Tap­fer kämp­fen wir uns vor­bei an Raps­fel­dern über die Auto­bahn. 11:13 Uhr: Die Was­ser­vor­rä­te wer­den noch eini­ge Stun­den rei­chen – hof­fen wir. 11:56 Uhr: Die Stim­mung ist ent­spannt und wird wei­ter gelo­ckert durch ein Polen-Quiz. 12:33 Uhr: Wir ste­hen im Stau, es geht nicht vor und nicht zurück! 14:24 Uhr: Die Was­ser­vor­rä­te wur­den auf­ge­füllt und auch die Essens­vor­rä­te schei­nen aus­zu­rei­chen. 14:26 Uhr: Auf­grund eines Miss­ge­schicks in der vor­letz­ten Rei­he neigt sich die Chips­ver­sor­gung dem Ende zu. 15:11 Uhr: Die Son­ne macht uns zu schaf­fen. Die klügs­ten Köp­fe nut­zen die Vor­hän­ge des Bus­ses. 16:20 Uhr: Gym­nas­tik auf dem Rast­stät­ten­park­platz beugt Lang­zeit­fol­gen des lan­gen Sit­zens vor. 18:36 Uhr: Der Stau nimmt kein Ende. 19:27 Uhr: Gemein­sa­mes Sin­gen lässt uns Mut und Hoff­nung auf eine Rück­kehr in die Zivi­li­sa­ti­on schöp­fen. 20:04 Uhr: Die Ankunft am Hos­tel Atlan­tis ist greif­bar, doch auch die Angst vor dem Schei­tern kurz vor dem Ziel wächst. 21:48 Uhr: Wir sit­zen auf unse­ren Bet­ten im Hos­tel am Ran­de des belieb­ten jüdi­schen Vier­tels und kön­nen es kaum fas­sen. Wir haben es über­lebt: Zwölf Stun­den iso­liert in einem Rei­se­bus. 23:15 Uhr: Alles schläft... Alles? Nein! Ein von unbeug­sa­men Sän­ge­rin­nen bevöl­ker­tes Zim­mer hört nicht auf, dem Schlaf Wider­stand zu leis­ten. Doch Dank des nach der Ankunft auf­ge­tisch­ten fröh­li­chen Abend­essens im Restau­rant Bazy­lia zeigt sich auch hier bald die Erschöp­fung deutlich.

Die gro­ße vier­tä­gi­ge Chor­rei­se ins schö­ne Kra­kau war seit Wochen im Mäd­chen- und Frau­en­chor der Scho­la Can­torum Leip­zig das wohl wich­tigs­te Gesprächs­the­ma gewe­sen. Etwa 9.30 Uhr star­te­te der Rei­se­bus von Leip­zig aus und auch stun­den­lan­ge Staus konn­ten die Vor­freu­de nicht bän­di­gen: Neben spon­ta­nen Gesangs­ein­la­gen kam es zu klei­nen Gym­nas­tik­run­den in den Pau­sen gegen ver­krampf­te Füße und einem vor­be­rei­ten­den Quiz zu Polen, sodass die Stim­mung trotz zwölf­stün­di­ger Fahrt nahe­zu aus­ge­las­sen wirk­te. Den­noch war es schön, am spä­te­ren Abend end­lich im Hos­tel Atlan­tis am Ran­de des belieb­ten jüdi­schen Vier­tels Quar­tier bezie­hen und das Abend­essen im nahe­ge­le­ge­nen Restau­rant Bazy­lia genie­ßen zu kön­nen und letzt­end­lich auch erschöpft zu Bett zu gehen, vol­ler Erwar­tun­gen an die nächs­ten drei Tage.

Tag 2 | Freitag, 11. Mai 2018

Nach einem aus­gie­bi­gen Früh­stück am Frei­tag­mor­gen, konn­te der Chor mit­tels einer Stadt­füh­rung bei schöns­tem Wet­ter den Wawel­hü­gel, den berühm­ten Dra­chen, das Papst­fens­ter, das Rat­haus, die Mari­en­kir­che und wei­te­re sehens­wer­te und geschichts­träch­ti­ge Wahr­zei­chen Kra­kaus ken­nen ler­nen. Nach der Erkun­dung des Markt­plat­zes und einem kur­zen, aber rüh­ren­den Ständ­chen im Rat­haus für den Bür­ger­meis­ter per­sön­lich gab es ein Mit­tag­essen im Restau­rant, wel­ches mit einer Mit­tags­pau­se been­det wur­de. Dar­auf­hin wid­me­te sich der Chor der Vor­be­rei­tung des Kon­zer­tes in der St. Laza­rus­kir­che, wel­ches um 18.00 Uhr begann und geist­li­ches sowie welt­li­ches Reper­toire aus ver­schie­dens­ten Epo­chen umfass­te. Der Erfolg konn­te danach mit tra­di­tio­nel­len Pirog­gen gefei­ert werden.

Mor­gen:
Aufstehen
fällt schwer
doch Früh­stück beflügelt
uns dann all­zu sehr.
Aufbruch.

Mit­tag:
Eindrücke
sam­mel­ten wir.
Wawel, Dra­chen, Rathaus.
Bür­ger­meis­ter zu Trä­nen gerührt.
Ständchen

Abend:
Konzert.
geist­lich, weltlich,
Kir­che Sankt Lazarus,
Pirog­gen, Gulasch, Pia­nist, Jazz,
Schlafen.

Gong
Hier ist das Ers­te Kra­kau­er Fern­se­hen mit den Nachrichten!
Guten Abend, mei­ne Damen und Herren.

Restau­rant Bazy­lia: Heu­te stürm­ten über 40 Chor­sän­ge­rin­nen aus Leip­zig ein klei­nes Restau­rant Kra­kaus, um dort aus­gie­big zu früh­stü­cken. Meh­re­re Eier­ku­chen wur­den ver­letzt. Eine Rück­kehr der Täter wäh­rend der Mit­tags­zeit wird erwartet.

Wawel: Zwei klei­ne­re Grup­pen von Leip­zi­ger Tou­ris­ten über­rann­ten heu­te wich­ti­ge Wahr­zei­chen Kra­kaus. Unser Kor­re­spon­dent berich­tet vor Ort: "Die Kra­kau­er Ein­woh­ner befin­den sich noch im Schock­zu­stand. Etwa 40 Frau­en und Mäd­chen besich­tig­ten den Wawel, die Kathe­dra­le, das Rat­haus und die Mari­en­kir­che und ver­brei­te­ten dabei gute Lau­ne. Die Poli­zei ermit­telt bereits wegen uner­hör­ter Auf­merk­sam­keit bei den Touristenführungen."

Rat­haus: Der Bür­ger­meis­ter emp­fing heu­te die Leip­zi­ger Scho­la Can­torum, wel­che ein spon­ta­nes Ständ­chen prä­sen­tier­te. Exper­ten sehen dar­in einen wich­ti­gen Schritt für die Wei­ter­ent­wick­lung der deutsch-pol­ni­schen Freundschaft.

Kir­che St. Laza­rus: Pol­ni­sche Chö­re sehen ihren Erfolg nach dem viel­sei­ti­gen Kon­zert des Mäd­chen- und Frau­en­chor der Scho­la Can­torum Leip­zig in der Kir­che St. Laza­rus gefähr­det. Die Sän­ge­rin­nen über­zeug­ten dort durch ein Reper­toire bestehend aus geist­li­chen und welt­li­chen Wer­ken aus ver­schie­de­nen Epochen.

Pirog­gen-Restau­rant: Eine Stu­die der Scho­la Can­torum Leip­zig zeigt: Pirog­gen sind zurecht Natio­nal­ge­richt Polens und zudem nach Kon­zer­ten beson­ders kräf­ti­gend. Spielt wäh­rend des Essens ein Jazz­pia­nist, ent­fal­tet sich die Wir­kung der Pirog­gen beson­ders stark.

Das waren die Nachrichten.

Tag 3 | Samstag, 12. Mai 2018

Der Sams­tag begann etwas ruhi­ger und bot vie­le Mög­lich­kei­ten, sich von den ereig­nis­rei­chen Tagen davor zu erho­len. Die Frei­zeit bis zum Mit­tag­essen wur­de für Spa­zier­gän­ge an der Weich­sel und durch das jüdi­sche Vier­tel oder auch für Ein­käu­fe genutzt. Nach dem Mit­tag­essen ging es nach Tar­now, wo der Chor gemein­sam mit dem Pol­ni­schen Mäd­chen­chor "Puel­lae Oran­tes" ein sehr gut besuch­tes Kon­zert in der Kathe­dra­le gab. Trotz der nur kur­zen Zeit konn­ten wäh­rend des gemein­sa­men Sol­jan­kaes­sens Kon­tak­te zu den pol­ni­schen Gast­ge­bern geknüpft wer­den. Nach dem Kon­zert trenn­ten sich die Wege jedoch wie­der und der Chor schloss den Abend noch ein­mal mit Pirog­gen ab, bevor es zurück nach Kra­kau ging.

Eier­ku­chen am Mor­gen ver­süß­ten den Tag, weil sie jeder beson­ders ger­ne mag. Vie­le woll­ten ger­ne schlafen,
doch man­che enter­ten den Shop­ping­ha­fen. Das jüdi­sche Vier­tel war eins unse­rer Zie­le, doch auch beliebt: Die Eisdiele.

Ach, wie schön ist das: Frei­zeit und Frei­heit und Spaß! Mit­tag­essen um 13 Uhr, brach­te uns zurück in die Spur. Nach Tarnów ging es fröh­lich wei­ter, mit uns lach­te die Son­ne hei­ter. Kon­zen­tra­ti­on auf das kom­men­de Kon­zert ließ das Kyrie könig­lich klingen.

Spä­ter über­zeug­ten wir mit dem Pol­ni­schen Chor "Puel­lae Oran­tes" beim Sin­gen. Die sprach­li­che Bar­rie­re war leicht über­wun­den und wir haben neue Freun­de gefun­den. Es gab ein sma­ku­je Essen, das wer­den wir nie ver­ges­sen. Es war schon spät, also ab nach Haus, Mor­gen müs­sen wir früh raus.

Tag 4 | Sonntag, 13. Mai 2018

Der Sonn­tag begann in aller Fri­sche mit der Vor­be­rei­tung der Abfahrt und der Mit­ge­stal­tung des Him­mel­fahrts­got­tes­diens­tes in der Kir­che St. Laza­rus mit einer klei­nen Beset­zung des Cho­res. Wer­ke von Brahms, Rhein­ber­ger und Men­dels­sohn über­zeug­ten die Gläu­bi­gen und Fried­rich Magi­ri­us, Ehren­bür­ger Kra­kaus, gelang es im Rah­men der Ver­an­stal­tung die Wich­tig­keit der deutsch-pol­ni­schen Freund­schaft zu betonen.

Viel Zeit blieb nach dem Got­tes­dienst jedoch nicht: Kurz nach 11 Uhr begann die Rück­rei­se nach Leip­zig, wel­che auch mit Weh­mut ver­bun­den war aber glück­li­cher­wei­se deut­lich staufrei­er ver­lief als zuvor sodass wir bei­na­he pünkt­lich um 21:30 Uhr wie­der in Leip­zig waren auch wenn wir die Erfah­run­gen und die Freund­schaf­ten die wir in Polen mach­ten wohl kaum wie­der ver­ges­sen werden.

06:50 Uhr: Das Schre­ckens­er­eig­nis ist ein­ge­tre­ten: Der Wecker klin­gelt! 08:47 Uhr: Weg­zeh­rung und Gepäck wer­den ver­la­den. 10:00 Uhr: Eine klei­ne Beset­zung beglei­tet den Him­mel­fahrts­got­tes­dienst der St. Laza­rus­kir­che unter­stützt durch Kra­kaus Ehren­bür­ger Fried­rich Magi­ri­us, der die deutsch-pol­ni­sche Zusam­men­ar­beit beflü­gelt. 11:00 Uhr: Der freund­li­che katho­li­sche Pfar­rer der Kir­che beschließt uns für unse­re bevor­ste­hen­de Rei­se mit Kreu­zen aus aller Welt aus­zu­stat­ten. 11:20 Uhr: Es beginnt. 12:32 Uhr: Kein Stau bis­her. Dafür jedoch Erschöp­fung. 12:39 Uhr: Zum Schre­cken aller erklingt ein Mathe­lied in der vor­letz­ten Rei­he. 12:43 Uhr: Eini­ge Chor­mit­glie­der ver­su­chen ver­zwei­felt sich einer Ohr­wurm­in­fek­ti­on zu ent­zie­hen. 12:46 Uhr: Pau­se. Der Bus ist ohr­wurm­kon­ta­mi­niert. 13:42 Uhr: Stau. 15:54 Uhr: Alge­bra, Foto­syn­the­se, Bri­tish Empire und Induk­ti­ons­ge­setz ver­brei­ten Angst und Schre­cken. Prü­fun­gen stre­cken ihre Fin­ger nach bemit­lei­dens­wer­ten Chor­mit­glie­dern aus. 17:24 Uhr: Die Ver­sor­gung gerät auf­grund lang­sa­mer Fast­food­ket­ten­an­ge­stell­ter ins Sto­cken. 18:04 Uhr: Wird unse­re Rück­kehr in die Gesell­schaft gelin­gen? 18:48 Uhr: Der Stau zehrt an unse­ren Ner­ven, doch die schö­ne Aus­sicht ret­tet uns. 19:29 Uhr: Maria durch ein Dorn­wald ging erklingt – wir schei­nen schon sehr lan­ge unter­wegs zu sein. 19:36 Uhr: Eine klei­ne Polo­nai­se erfreut die Gemü­ter. 19:37 Uhr: Ein Ständ­chen für den tap­fers­ten aller Bus­fah­rer. 20:08 Uhr: Abfahrt aus dem schö­nen Dres­den (wel­ches natür­lich nie­mals schö­ner sein wird als unser Klein­pa­ris). 20:52 Uhr: Die Aste­rix­ti­tel­me­lo­die will nicht wer­den. 21:13 Uhr: Eine Run­de Nach­hil­fe­stun­de... 21:40 Uhr: Das Ende naht. 21:44 Uhr: Zwar nicht aus­ge­hun­gert aber den­noch erschöpft kom­men wir in Leip­zig an.

Titelfoto: Mikołaj Uriasz
Die Schola Cantorum Leipzig wurde 1963 gegründet und vereint heute etwa 300 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in verschiedenen Ensembles.
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