Morgenkaffee Und Tageszeitung
Vicky Leandros gastiert in der Michaeliskirche

Schöne Frau, schöne Lieder

VON ROLAND H. DIPPEL
erschie­nen in der Leip­zi­ger Volks­zei­tung am 5. Dezem­ber 2019

Vicky Lean­dros hat einen wei­ten Defi­ni­ti­ons­ra­di­us für das, was ein Weih­nachts­lied sein kann. Trotz­dem kommt sie bei ihrem Weih­nachts­kon­zert am Diens­tag­abend in der Leip­zi­ger Michae­lis­kir­che weit­aus frü­her bei Geor­ge Har­ri­son an, als ihr Kol­le­ge Björn Casa­pi­e­tra vor weni­gen Tagen in der Peters­kir­che. Bei Lean­dros, die immer wie­der den Mit­tel­gang des Haupt­schiffs ansteu­ert, leuch­ten die Ker­zen auch schö­ner. Das Publi­kum hat Mil­de im Blick und als sie ein Mäd­chen­en­sem­ble der Scho­la Can­torum Leip­zig zu sich an den Haupt­al­tar holt, gewinnt und bezau­bert sie ihre Fan­ge­mein­de noch mehr.

Lean­dros, 67, scheint über die Zeit erha­ben: Sie hat kas­ta­ni­en­brau­ne Haa­re wie frü­her, die Augen ver­lie­ren auch bei der fort­ge­schrit­te­ne Weih­nachts­tour­nee trotz der Unre­gel­mä­ßig­kei­ten durch TV-Auf­trit­te zwi­schen den Sta­tio­nen nichts von ihrem Glanz. Dabei bleibt sie beschei­den und zeigt Dank­bar­keit für das, was sie im Leben errei­chen konnte.

Mit dem Her­zen ist sie mehr­fach bei ihrem Vater, der und mit dem sie so vie­le schö­ne Schla­ger und Lie­der schrieb. Auch für das Trio, das sie schon seit Jah­ren beglei­tet, zeigt sie viel Empa­thie: Pau­li­ne Moser mit dem rüh­ren­den Ton auf der Vio­li­ne, den viel­sei­ti­gen Lothar Atwell am Bass und den Blas­in­stru­men­ten sowie Bo Heart am Pia­no, der ihr sei­ne sono­re Stim­me in Duet­ten zu Füßen legt.

Stel­len­wei­se wird den Anwe­sen­den rich­tig warm ums Herz, etwa wenn Lean­dros "Oh du fröh­li­che", die "süßen Glo­cken" und "Maria durch ein Dorn­wald ging" singt. Alles erfreu­li­cher­wei­se ohne dick auf­ge­tra­ge­ne Sen­ti­men­ta­li­tä­ten. In "Du weißt, ich lie­be das Leben" geht es um Auf­bruch und Neu­be­ginn, Ver­gan­gen­heit wird nicht zur Bür­de, son­dern zum inne­ren Gewinn.

Ein­zi­ges Han­di­cap: Die Ton­an­la­ge ist nicht gut genug für die Schla­ger­kö­ni­gin mit 55 Mil­lio­nen ver­kauf­ten Ton­trä­gern, das Mikro wird für sie erst wäh­rend des Kon­zerts auf die opti­ma­le Höhe gesetzt. In der Beschal­lung der Michae­lis­kir­che klingt ihre Stim­me lei­der manch­mal wie im Nebel und leicht vertrocknet.

Die zier­li­che Frau mit der sanf­ten, dabei so belas­tungs­fä­hi­gen Stim­me singt, enter­taint und beglückt 100 Minu­ten ohne Pau­se. Ritua­le blei­ben wich­tig: Damen über­rei­chen Blu­men, nur Klein­kin­der als Geschenk­ku­rie­re gibt es dies­mal nicht. Am Ende: Glück­li­cher, dank­ba­rer Beifall.

Titelfoto: Pixabay
Die Schola Cantorum Leipzig wurde 1963 gegründet und vereint heute etwa 300 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in verschiedenen Ensembles.