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Die Schola Cantorum (zu Deutsch: Singschule) wurde im Jahr 1963 als Kinder- und Jugendchor gegründet, arbeitet seit 1982 unter Trägerschaft der Stadt und ist heute die musikalische Heimat von über 300 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wichtiger lokaler Bildungsträger sowie klingende Botschafterin der Musikstadt Leipzig.

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Schola Cantorum Leipzig: Standort
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Traditionelle Knabenchöre bieten exzellente musikalische Ausbildungsbedingungen, finanziert von der öffentlichen Hand. Vergleichbare Institutionen für Mädchen fehlen.

Vokalmagazin Chorzeit: Gleiche Chancen?!

VON NORA-HENRIETTE FRIEDEL UND MARLEEN HOFFMANN
erschie­nen in: Chor­zeit, Das Vokal­ma­ga­zin, Nr. 66, Dezem­ber 2019

Vor einem Jahr begann eine öffent­li­che Debat­te um renom­mier­te Kna­ben­chö­re und Gleich­stel­lung, die die Chor­sze­ne nach­hal­tig beschäf­tigt: Die Ber­li­ner Rechts­an­wäl­tin Susann Bräck­lein hat­te im Tages­spie­gel geschrie­ben, dass der gene­rel­le Aus­schluss von Mäd­chen eine ver­fas­sungs­wid­ri­ge Dis­kri­mi­nie­rung sei. Dabei dach­te sie vor allem an Chö­re, die in staat­li­cher Trä­ger­schaft eine her­aus­ra­gen­de musi­ka­li­sche Aus­bil­dung anbie­ten. «Eine Aus­bil­dung, die sich auch Eltern für ihre Töch­ter wün­schen», erklärt die Juris­tin und Mut­ter eines Mäd­chens. So wirbt etwa der Ber­li­ner Staats- und Dom­chor, des­sen Trä­ger die Uni­ver­si­tät der Küns­te (UdK) ist, mit einer kos­ten­frei­en Aus­bil­dung, was Bräck­lein umso mehr geär­gert habe, als ihre sie­ben­jäh­ri­ge Toch­ter ihr den Fly­er des über 550 Jah­re alten Kna­ben­cho­res in die Hand drück­te. Schon 2016 mel­de­te sie das Mäd­chen für den Staats- und Dom­chor an – ver­ge­bens. Sie pro­bier­te es erneut 2018, dies­mal par­al­lel auch beim Tho­man­erchor. Eigent­lich habe sie erst­mal nur eine Begrün­dung haben wol­len, denn sie sah die tat­säch­li­che Auf­nah­me ohne­hin als unrea­lis­tisch an.

Aus Ber­lin blieb ein Bescheid aus. Der Tho­man­erchor dage­gen bezog sich in sei­nem Ableh­nungs­be­scheid auf eine gewohn­heits­recht­li­che Dis­kri­mi­nie­rungs­be­fug­nis. Nach eini­gem Hin und Her mit der UdK – der Dekan der Fakul­tät Musik hat­te zwi­schen­zeit­lich geäu­ßert «Nie­mals kann ein Mäd­chen in einem Kna­ben­chor mit­sin­gen» – lud der Staats- und Dom­chor das Mäd­chen schließ­lich zu einem Ken­nen­ler­nen und Vor­sin­gen im März 2019 ein. Par­al­lel dazu reich­te die Mut­ter Kla­ge beim Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin ein, um zu erwir­ken, dass der Staats- und Dom­chor Mäd­chen nicht gene­rell wegen ihres Geschlechts ableh­nen dürfe.

Diskriminierungs- oder Kunstfreiheit? Grundrechte im Konflikt

Im August erging das Urteil, das Bräck­leins Kla­ge abwies. Der Chor­lei­ter habe für das Gericht glaub­haft erklärt, dass für ihn das Geschlecht kei­ne Rol­le spie­le und er das Mäd­chen auf­ge­nom­men hät­te, wenn es zum von ihm ange­streb­ten Chor­klang gepasst hät­te – eine Ableh­nung aus künst­le­ri­schen Grün­den. Mäd­chen allein wegen ihres Geschlechts aus­zu­schlie­ßen oder den Aus­schluss mit der männ­li­chen Tra­di­ti­on zu begrün­den, genü­ge aber nicht, so das Gericht. Es sei zwar für das Gericht nahe­lie­gend, dass das Auf­nah­me­kri­te­ri­um «Kna­ben­chor­klang» eher zur Auf­nah­me von Jun­gen als von Mäd­chen füh­re. Dies sei aber nur eine mit­tel­ba­re Ungleich­be­hand­lung. Offen blieb, wie der Kon­flikt der Grund­rech­te Dis­kri­mi­nie­rungs­frei­heit (Arti­kel 3, Absatz 3 im Grund­ge­setz) und Frei­heit der Kunst (Arti­kel 5, Absatz 3 eben­dort) auf­zu­lö­sen sei. Hier­für ließ das Gericht die Beru­fung zu. Das Ver­fah­ren ist also noch nicht abge­schlos­sen. Des­halb äußert sich die UdK der­zeit nicht dazu.

Die Klä­ge­rin zeigt sich mit dem Urteil ganz zufrie­den, auch wenn sie die Erklä­rung des Chor­lei­ters für ein rei­nes Lip­pen­be­kennt­nis hält: «In drei von vier Punk­ten hat das Gericht mei­ne Rechts­auf­fas­sung voll­um­fäng­lich geteilt. Der Tho­man­erchor hat im Anschluss an das Urteil frei­wil­lig sei­ne For­mal­po­si­ti­on tra­di­tio­nell-bio­lo­gi­scher Exklu­si­vi­tät geräumt und ein Mäd­chen ein­ge­la­den. Das ist doch ein gro­ßer Erfolg. Die Tür ist auf. Durch­ge­hen müs­sen dann ande­re», sagt sie.

«Wel­chen Teil des Wor­tes Kna­ben­chor hat die­se Heli­ko­pter­mut­ter nicht ver­stan­den?» – «Gen­der­wahn bedroht Kul­tur­er­be» so und ähn­lich lau­te­ten Reak­tio­nen auf den Fall in den sozia­len Medi­en und in der Lokal­pres­se. Auch in den Kom­men­tar­spal­ten der über­re­gio­na­len Feuil­le­tons dis­ku­tier­te man den Fall. Offen­bar hat­te er einen Nerv getrof­fen. Doch eigent­lich geht es um die Fra­ge der Chan­cen­gleich­heit für Jun­gen und Mäd­chen. Die Klä­ge­rin begrün­de­te ihr Vor­ge­hen ja mit der For­mel «Kom­men Res­sour­cen nicht zu Mäd­chen oder zu Mäd­chen­chö­ren, müs­sen Mäd­chen zu den Res­sour­cen kommen.»

Wie stehen Knaben- und Mädchenchöre finanziell wirklich da?

Dass es in Deutsch­land zahl­rei­che Kna­ben­chö­re in öffent­li­cher Trä­ger­schaft gibt, in denen Jun­gen eine inten­si­ve musi­ka­li­sche Aus­bil­dung auf höchs­tem Niveau erhal­ten, sieht die Klä­ge­rin im Wider­spruch zum Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, da ver­gleich­ba­re Insti­tu­tio­nen nicht für Mäd­chen exis­tier­ten. Die Fra­ge, wie es sich denn nun tat­säch­lich mit dem Klang­un­ter­schied zwi­schen Kna­ben- und Mäd­chen­stim­men ver­hal­te und ob es musi­ka­lisch und päd­ago­gisch sinn­voll sei, Kna­ben­chö­re auch für Sän­ge­rin­nen zu öff­nen, das wur­de aus­führ­lich dis­ku­tiert. Die Chor­zeit wird die­ser Fra­ge­stel­lung in einer der nächs­ten Aus­ga­ben einen eige­nen Arti­kel wid­men. Was bis­lang weni­ger trans­pa­rent ist: Wie ste­hen die Kna­ben- und Mäd­chen­chö­re im Land wirk­lich finan­zi­ell da – mit wel­chen Res­sour­cen, unter wel­chen Bedin­gun­gen arbei­ten sie und was kos­tet das die jun­gen Sän­ge­rIn­nen bezie­hungs­wei­se deren Eltern?

Um das in Erfah­rung zu brin­gen, star­te­te die Chor­zeit eine Umfra­ge unter mehr als 50 Kna­ben- und Mäd­chen­chö­ren. Ein Drit­tel davon beant­wor­te­te unse­ren Fra­gen­ka­ta­log. Das ergibt zwar kein reprä­sen­ta­ti­ves Bild, aber bestimm­te Ten­den­zen las­sen sich able­sen. Wich­tig vor­weg­zu­schi­cken ist jeden­falls: Die Kul­tur­aus­ga­ben der Kom­mu­nen und Län­der ran­gie­ren über­all weit unten in den Haus­halts­plä­nen. Inso­fern soll es hier nicht dar­um gehen, eine Neid­de­bat­te zu ent­fa­chen, denn alle haben ver­gleichs­wei­se wenig und es ist lei­der nicht unüb­lich, dass im Musik­be­reich Täti­ge einen Teil ihrer Arbeit unbe­zahlt machen.

Was jeden­falls nicht ganz stimmt, ist dass die 250 Kna­ben und über 75 jun­gen Män­ner der elf unter­schied­li­chen Chor­grup­pen des Ber­li­ner Staats- und Dom­chors (SDC) eine kos­ten­lo­se Aus­bil­dung genie­ßen. Der Chor an der UdK, die vom Land Ber­lin und vom Bund den Groß­teil ihrer Mit­tel erhält, erhebt zwar kei­ne fes­ten Mit­glieds­bei­trä­ge. Jedoch, so eine Mut­ter mit zwei Söh­nen im SDC, wird den Eltern zu Beginn jedes Schul­jah­res nahe­ge­legt, einen frei­wil­li­gen Bei­trag zu zah­len – je nach Chor­grup­pe und ent­spre­chen­der Pro­ben­dich­te eine bestimm­te Sum­me. Schließ­lich probt der Kon­zert­chor drei­mal wöchent­lich und jeder Sän­ger erhält Stimmbildung.

Eine inten­si­ve musi­ka­li­sche Aus­bil­dung, in der Kin­der auf­ein­an­der auf­bau­en­de Chor­grup­pen durch­lau­fen, im Kon­zert­chor schließ­lich mehr­mals die Woche pro­ben, dazu regel­mä­ßig ein­zeln oder in Klein­grup­pen Stimm­bil­dung erhal­ten, ein brei­tes Auf­tritts­pen­sum absol­vie­ren und dabei viel Chor­li­te­ra­tur ken­nen­ler­nen – das gibt es vor allem bei den kirch­lich getra­ge­nen Chö­ren kos­ten­los, so etwa bei den Esse­ner und den Würz­bur­ger Dom­sing­kna­ben, dem Mäd­chen­chor am Esse­ner Dom und der Mäd­chen­kan­to­rei am Würz­bur­ger Dom (katho­lisch), aber auch beim öku­me­ni­schen Kna­ben­chor col­le­gi­um iuvenum Stutt­gart (freie Trä­ger­schaft). Unter den Chö­ren, die sich bei uns zurück­mel­de­ten, war der Stadt­sin­ge­chor Hal­le, ein Kna­ben­chor mit über 900 Jah­re alter Tra­di­ti­on, der ein­zi­ge Chor in öffent­li­cher Trä­ger­schaft, des­sen Mit­glie­der kei­ne Bei­trä­ge zah­len müssen.

Die ande­ren bei­den mit­tel­deut­schen Aus­hän­ge­schil­der, der Dresd­ner Kreuz­chor und der Leip­zi­ger Tho­man­erchor, sind eben­falls voll­stän­dig städ­tisch getra­ge­ne Ensem­bles. Wer einen Sohn im Tho­man­erchor und im dazu­ge­hö­ri­gen Inter­nat hat, muss monat­lich 140 Euro zah­len. Deut­lich grö­ße­res finan­zi­el­les Enga­ge­ment for­dert der in der­sel­ben Liga spie­len­de Winds­ba­cher Kna­ben­chor, eine juris­tisch eigen­stän­di­ge Ein­rich­tung der Evan­ge­lisch-Luthe­ri­schen Kir­che in Bay­ern und eben­falls ein Inter­nats­chor. Hier zahlt man monat­lich bis zu 765 Euro.

Versuch, in Windsbach einen Mädchenchor zu etablieren

In Winds­bach sei übri­gens vor zwölf Jah­ren der Ver­such geschei­tert, neben dem Kna­ben­chor einen Mäd­chen­chor zu eta­blie­ren, berich­te­te Domradio.de Anfang des Jah­res. Im Winds­ba­cher Inter­nat hät­ten sich damals zu weni­ge Mäd­chen ange­mel­det und damit sei­en zu weni­ge bereit gewe­sen, sich auf die für den Kna­ben­chor geschaf­fe­nen Bedin­gun­gen ein­zu­las­sen. Seit den 1970er Jah­ren bis in die Nuller­jah­re hin­ein grün­de­ten die meis­ten gro­ßen katho­li­schen Kna­ben­chö­re eige­ne Mädchenchöre.

Am Aache­ner, Esse­ner und Würz­bur­ger Dom etwa oder am Frei­bur­ger Müns­ter lie­gen ange­stamm­ter Kna­ben­chor und rela­tiv jun­ger Mäd­chen­chor jeweils in punc­to Arbeits­be­din­gun­gen gleich­auf. Doch was die öffent­li­che Wahr­neh­mung betrifft, erge­ben sich noch immer Unter­schie­de: Der Kna­ben­chor ist eta­bliert und in kirchen(musik)fernen Publi­kums­schich­ten hat es sich mit­un­ter auch nach Jahr­zehn­ten nicht her­um­ge­spro­chen, dass ihm ein eben­bür­ti­ger Mäd­chen­chor zur Sei­te steht. Das hängt wohl auch damit zusam­men, dass Kna­ben­chö­re mit ihrer Stimm­be­set­zung die gro­ßen Ora­to­rien­wer­ke auf­füh­ren kön­nen, wäh­rend Mäd­chen­chö­re eher weni­ger bekann­te Lite­ra­tur zu Gehör brin­gen, die wie­der­um nicht das ganz brei­te Publi­kum anzieht. Um auch mal eine h‑Moll-Mes­se auf­zu­füh­ren, müs­sen sich Mäd­chen­chö­re Män­ner­stim­men lei­hen – und dies wie­der­um braucht Koope­ra­ti­ons­be­reit­schaft ande­rer Chö­re und ent­spre­chen­de Pro­ben­lo­gis­tik. Den­noch machen auch Mäd­chen­chö­re bei Wett­be­wer­ben regel­mä­ßig mit Best­plat­zie­run­gen auf sich auf­merk­sam, so zum Bei­spiel die Mäd­chen­chö­re am Esse­ner und am Köl­ner Dom, wäh­rend die jewei­li­gen Kna­ben­chö­re eher sel­ten sol­che Büh­nen betreten.

Wo singen die meisten mit? Wie hoch ist die Ablehnungsquote?

In wel­chem Chor sin­gen die meis­ten Kin­der und Jugend­li­chen? Die Ant­wor­ten, die uns erreich­ten, wei­sen den Kna­ben­chor Han­no­ver als Spit­zen­rei­ter aus: Hier sin­gen etwa 240 Sän­ger – etwa 30 kom­men jedes Jahr neu in den Chor. Es folgt der Ber­li­ner Mäd­chen­chor, in dem der­zeit 208 Mäd­chen und jun­ge Frau­en sin­gen. In punc­to Neu­zu­gän­ge ist die­se 1986 gegrün­de­te Chor­schu­le Spit­zen­rei­ter: 65 neue Sän­ge­rin­nen wur­den in die­sem Jahr auf­ge­nom­men, dar­über hin­aus gibt es eine War­te­lis­te. Je 200 Sän­ge­rIn­nen sin­gen aktu­ell beim Ham­bur­ger Mäd­chen­chor und beim col­le­gi­um iuvenum Stutt­gart. Dage­gen nimmt sich etwa der Tho­man­erchor mit sei­nen aktu­ell 93 Sän­gern, von denen elf in der Muta­ti­ons­pau­se sind, ziem­lich exklu­siv aus. Im Winds­ba­cher Kna­ben­chor sin­gen mit 128 Jun­gen wesent­lich mehr, und das, obwohl hier mehr als die Hälf­te aller Vor­sin­gen­den die Auf­nah­me­prü­fung nicht bestehen.

Damit hat der Chor die höchs­te Ableh­nungs­quo­te unse­rer Umfra­ge. Beim Tho­man­erchor schaf­fen es etwa 30 Pro­zent der Aspi­ran­ten nicht, in den Chor auf­ge­nom­men zu wer­den, bei den ande­ren Chö­ren meist höchs­tens 20 Pro­zent, eini­ge gaben auch an, dass nie­mand abge­lehnt werde.

Welcher Chor bestreitet wie viele Auftritte?

Die Land­schaft deut­scher Kna­ben- und Mäd­chen­chö­re ist durch­aus kom­plex. Auf wel­chem Niveau die päd­ago­gi­sche und künst­le­ri­sche Arbeit statt­fin­den kann, hängt natür­lich einer­seits von der Qua­li­fi­ka­ti­on der Chor­lei­tung ab. Hier­an man­gelt es aber eigent­lich nie. Ent­schei­den­der ist das Zeit­bud­get, dass die Chor­lei­tung zur Ver­fü­gung hat, außer­dem die Fra­ge, ob auch Res­sour­cen vor­han­den sind, um Assis­tenz­kräf­te und Stimm­bild­ne­rIn­nen zu bezah­len, ob Raum­mie­te anfällt, ob es ein pro­fes­sio­nel­les Manage­ment gibt – oder statt­des­sen das künst­le­ri­sche Per­so­nal oder Ehren­amt­li­che Orga­ni­sa­ti­ons­auf­ga­ben über­neh­men müs­sen. Genau hier tun sich die Unter­schie­de auf.

So etwa lei­tet Gesa Wehr­hahn, Stu­di­en­rä­tin an einem Musik­gym­na­si­um, den Jugend- und den Kon­zert­chor des Mäd­chen­chors Ham­burg unter dem Dach der Staat­li­chen Jugend­mu­sik­schu­le Ham­burg mit einer Teil­zeit­stel­le. Das beinhal­tet vier Pro­ben wöchent­lich – für etwa 40 Kon­zer­te im Jahr. Alle vier Jah­re qua­li­fi­ziert sich der Chor zudem für den Deut­schen Chor­wett­be­werb. Eben­so vie­le Kon­zer­te gibt der Winds­ba­cher Kna­ben­chor, bei dem noch lit­ur­gi­sche Diens­te hin­zu­kom­men. Nur der Tho­man­erchor liegt mit 50 Motet­ten, 25 Got­tes­diens­ten und 30 Kon­zer­ten noch darüber.

2,5 Mil­lio­nen Euro umfasst übri­gens das Jah­res­bud­get inklu­si­ve Inter­nats­be­trieb der Tho­man­er, die rein recht­lich ein kom­mu­na­les Unter­neh­men der Stadt Leip­zig sind. Der Chor beschäf­tigt etwa 50 Men­schen in Voll- und Teil­zeit. Mit 250.000 Euro, also zehn Pro­zent davon, eben­falls über­wie­gend aus öffent­li­chen Mit­teln, wirt­schaf­tet die Scho­la Can­torum. Unter ihrem Dach befin­det sich der etwa 60-köp­fi­ge Mäd­chen­chor der Stadt Leip­zig und ins­ge­samt etwa 300 Sän­ge­rIn­nen in sie­ben Grup­pen. 20.000 Euro gene­riert die Scho­la zusätz­lich aus Spen­den und durch den För­der­ver­ein. Sie beschäf­tigt fünf Ange­stell­te in Voll- und Teil­zeit, dazu 21 Honorarkräfte.

160.000 Euro beträgt das Jah­res­bud­get des Ber­li­ner Mäd­chen­chors (Trä­ger: öffent­li­che Musik­schu­le City West), eben­falls regel­mä­ßig auf den vor­de­ren Plät­zen beim Deut­schen Chor­wett­be­werb. Die Hälf­te davon ist För­de­rung der öffent­li­chen Hand. Alle sie­ben bis acht künst­le­risch-päd­ago­gi­schen Mit­ar­bei­te­rin­nen sind auf Hono­rar­ba­sis beschäf­tigt, das Manage­ment über­neh­men zwei Ehren­amt­li­che mit zusam­men 30 Stun­den in der Woche. Der Kna­ben­chor Han­no­ver erhält 60.000 Euro öffent­li­che För­de­rung im Jahr, gene­riert aber den Groß­teil des zehn mal so hohen Jah­res­bud­gets über Ein­nah­men sei­ner 40 Kon­zer­te im Jahr, über Spen­den, eine eige­ne Stif­tung, den För­der­ver­ein und Mit­glieds­bei­trä­ge bis zu 60 Euro im Monat. Nur fünf Pro­zent ihres Bud­gets bekom­men die Chor­kna­ben Ueter­sen, die regel­mä­ßig mit beson­de­ren Pro­jek­ten und CD-Pro­duk­tio­nen auf sich auf­merk­sam machen, aus öffent­li­cher Zuwen­dung. 95 Pro­zent kom­men über Mit­glieds­bei­trä­ge (41 Euro monat­lich), Kon­zert­ein­nah­men und pri­va­te Spon­so­ren zusammen.

Deutsche Orchestervereinigung: Ungleichheit beseitigen

Fazit: Unterm Dach der katho­li­schen Kir­che arbei­ten Kna­ben- und Mäd­chen­chö­re unter rela­tiv soli­den, gleich­be­rech­tig­ten Bedin­gun­gen. Bei Chö­ren in öffent­li­cher Trä­ger­schaft klafft eine gro­ße Lücke zwi­schen den gut aus­ge­stat­te­ten, Jahr­hun­der­te alten tra­di­tio­nel­len Kna­ben­chö­ren und Mäd­chen­chö­ren, die mit deut­lich weni­ger Mit­teln den­noch Erstaun­li­ches leis­ten. Freie Chö­re müs­sen bei sehr über­schau­ba­rer öffent­li­cher För­de­rung krea­tiv ande­re Finan­zie­rungs­quel­len anzapfen.

Gerald Mer­tens, Geschäfts­füh­rer der Deut­schen Orches­ter­ver­ei­ni­gung, die auch die Rund­funk­chö­re ver­tritt, weist dar­auf hin, dass Kna­ben aus Tra­di­ti­ons­chö­ren durch die umfas­sen­de Aus­bil­dung im Musik­in­ter­nat zudem deut­lich im Vor­teil sind beim Weg an die Musik­hoch­schu­le und schließ­lich in die pro­fes­sio­nel­le Lauf­bahn. Die­se Kna­ben genös­sen zudem durch die Tra­di­ti­on, den Ruf und die finan­zi­el­le Aus­stat­tung ihres Cho­res das Pri­vi­leg den aller­meis­ten Mäd­chen­chö­ren gegen­über, mit beson­ders renom­mier­ten Künst­le­rIn­nen und Klang­kör­pern an pres­ti­ge­träch­ti­gen Auf­tritts­or­ten zusam­men­zu­ar­bei­ten. Daher äußert Mer­tens im Namen sei­nes Ver­bands die Auf­fas­sung, «dass öffent­lich geför­der­te Kna­ben­chö­re, die eine umfas­sen­de insti­tu­tio­nel­le Aus­bil­dung anbie­ten, durch die öffent­li­che Hand zu ver­pflich­ten sind, ent­spre­chend gleich­wer­ti­ge Aus­bil­dungs­an­ge­bo­te auch an Per­so­nen des ande­ren Geschlechts zu unter­brei­ten». Natür­lich müss­ten dann auch die ent­spre­chend not­wen­di­gen Mit­tel bereit­ge­stellt wer­den und in jeder Stadt wird dafür eine indi­vi­du­el­le Lösung nötig sein, die die Chan­cen­gleich­heit von Jun­gen und Mäd­chen garantiert.

Titelfoto: Monster Ztudio – stock.adobe.com
Die Schola Cantorum Leipzig wurde 1963 gegründet und vereint heute etwa 300 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in verschiedenen Ensembles.
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