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Christrose in der Wintersonne

VON CONNY SCHOLZ

Was für ein Tag! Der Him­mel senk­te all das ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­de Grau her­ab. Die gan­ze Stadt schien frös­telnd die Schul­tern hoch­zu­zie­hen und selbst der Uni­rie­se schrumpf­te in Nebel­näs­se zum Milch­zahn. Dun­kel­be­män­tel­te zogen – Trost im Ein­kaufs­er­leb­nis suchend – blass durch die Innen­stadt. Den Blick zu Boden gerich­tet, denn nichts über Nor­mal­null schien beach­tens­wert. Tris­tesse lässt sich wohl nicht glaub­haf­ter illustrieren...

An eben jenem, auf gar kei­nen Fall zu viel ver­spre­chen­den Febru­ar­sams­tag, auf den Punkt genau 40 Tage nach Weih­nach­ten, wird im Kalen­der des Kir­chen­jah­res das heu­te teils in Ver­ges­sen­heit gera­te­ne Fest "Mariä Licht­mess" began­gen. Das "Fest der Dar­stel­lung des Herrn" (oder auch "Mariä Rei­ni­gung") war in vie­len Regio­nen Deutsch­lands bis weit ins 20. Jahr­hun­dert mit viel­fäl­ti­gen Tra­di­tio­nen, Bräu­chen und etli­chen Bau­ern­re­geln ver­bun­den, teil­wei­se sogar gesetz­li­cher Fei­er­tag. So wur­de bei­spiels­wei­se in eini­gen Regio­nen des Erz­ge­bir­ges an Licht­mess das Ende der Weih­nachts­zeit mit einer Licht­mess-Ves­per began­gen, anschlie­ßend die Weih­nachts­be­leuch­tung gelöscht und ein Fest­essen aus­ge­rich­tet. Bis heu­te ist es vie­ler­orts in Kir­chen üblich, den Weih­nachts­schmuck bis zum 2. Febru­ar ste­hen zu lassen.

Die­sen Tag zum Anlass neh­mend prä­sen­tier­te der Kam­mer­chor der Scho­la Can­torum Leip­zig unter der Lei­tung von Sven Küh­nast und mit musi­ka­li­scher Unter­stüt­zung von Son­ja Wie­demann (Vio­li­ne) und Aya Kuge­le (Kla­vier) im Neu­en Rat­haus ein im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes erhel­len­des Kon­zert­pro­gramm. Der Schwer­punkt auf geist­li­chen Wer­ken, ein gre­go­ria­ni­scher Rah­men und im Zen­trum das „Glo­ria“ von Anto­nio Vival­di ver­trie­ben jedes Grau des zu Ende gehen­den Tages. Kla­re, trans­pa­ren­te und aus­ge­wo­ge­ne (wirk­lich cho­ri­sche) Klän­ge lie­ßen die Obe­re Wan­del­hal­le des Rat­hau­ses wir­ken wie ein sakra­ler Töne­dom, bei­na­he wie ein Kir­chen­schiff. Zuhö­ren­de, ver­sun­ken in stil­ler Andacht, sonn­ten sich in der Musik. Ein leuch­ten­des "Lux aurum­que" (Whi­tacre) tat sein Übri­ges und mach­te dem Namen alle Ehre. Nicht zuletzt über­zeug­ten Anika Paulick (Sopran) und Loui­sa Reh (Alt) mit fast tröst­li­chen Soli in Vival­dis "Glo­ria" – kom­po­niert zwi­schen 1713 und 1717 für das "Ospe­da­le del­la Pie­tà", sei­ner­zeit ein vene­zia­ni­sches Wai­sen­haus und eine der vier gro­ßen Musik­schu­len Vene­digs. Der so trau­rig begin­nen­de Tag bekam eine bemer­kens­wer­te Wendung.

Musik öff­net des Men­schen Herz. Wir wer­den berührt, wenn ein Chor wie die­ser nicht nur mit der Stim­me singt, son­dern von gan­zem Her­zen, und zusam­men­fin­det zu einem wirk­lich gemein­sa­men Klang. Eine sol­che geist­lich-musi­sche Stun­de wird so zu einer wirk­li­chen, see­li­schen Erbau­ung und man möch­te laut rufen: "Mehr Musik in eine sol­che Welt!".

"Ein Licht ist uns kom­men" – so war das Kon­zert­pro­gramm über­schrie­ben. Und sie­he: Es ward Licht.

Titelfoto: Pierangelo Bettoni
Die Schola Cantorum Leipzig wurde 1963 gegründet und vereint heute etwa 300 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in verschiedenen Ensembles.
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