Dass die Epoche des Barocks meist mit dem Jahr 1750 endet, ist eigentlich nur der heutigen Verehrung für Johann Sebastian Bach geschuldet: Sein Todesjahr markiert angeblich einen Wendepunkt.
Musikgeschichte(n) aus der Quarantäne
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Zusammenfassung
Endlich geht es um die echte “klassische” Musik!
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Wer hat's gemacht?
Dieser Artikel wurde mit ♥ für Euch verfasst von Henriette. Henriette studierte Musikwissenschaften in Weimar sowie klassischen Gesang in Leipzig und ist als freischaffende Sängerin tätig. Während des Corona-Shutdowns unterstützt sie die Schola Cantorum mit Beiträgen zur Musikgeschichte und beweist dabei: Wissenschaft ist alles andere als graue Theorie!
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Lesedauer
Lesedauer: 40 Minuten • Musikbeispiele: 479 Minuten
7. Kapitel: Das 18. Jahrhundert und die Wiener Klassik
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Zeit des Übergangs
Dass die Epoche des Barocks in den meisten Büchern mit dem Jahr 1750 endet, ist eigentlich nur der heutigen Verehrung für Johann Sebastian Bach geschuldet: Sein Todesjahr (eben 1750) markiert angeblich einen Wendepunkt. Doch dem ist nicht so. War Bach in seiner Weimarer und Köthener Zeit noch modern und an musikgeschichtlichen Entwicklungen beteiligt, so änderte sich an seiner grundlegenden Kompositionsweise in seiner späteren Leipziger Zeit (1723–1750) nicht mehr viel: Die Entwicklung der Musik ging aber dennoch weiter. Auch wenn Bach aus heutiger Sicht in genau diesen Jahren die Barockmusik zur Vollendung brachte: Rein musikhistorisch betrachtet war er nicht auf der Höhe der Zeit, denn schon ab 1720 begannen viele Prinzipien der Barockmusik zu wanken.
Die Musik des Spätbarocks wurde als zu ausladend, komplex und prunkvoll angesehen, weshalb der Geschmack sich hin zu einfacheren Kompositionsweisen entwickelte. So wich beispielsweise der auf die Spitze getriebene polyphone Satz mehr und mehr der Homophonie. Die Melodie gewann gegenüber dem Bass an entscheidender Bedeutung und die Gliederung der Musikstücke wurde kleinteiliger und einfacher nachzuvollziehen. Der sogenannte "harmonische Rhythmus", also die Häufigkeit der Akkordwechsel, wurde langsamer und dadurch durchsichtiger. Generell beschränkte man sich für seine Kompositionen auf sehr wenige Tonarten: Es wurden fast nur solche verwendet, die höchstens zwei Vorzeichen haben. Die wichtigste musikalische Entwicklung war aber wohl, dass der Generalbass immens an Bedeutung verlor und schnell überhaupt keine Rolle mehr spielte.
Die "Wiener Klassik" hat sich als Epoche in der Musikgeschichte etabliert, wohl weil sie mit Haydn und Mozart zwei sehr einnehmende Vertreter hat. Historisch betrachtet ist sie aber sowohl ein recht kurzes (ca. 1782/82 – 1803) als auch geographisch abgegrenztes (wienerisches) Phänomen. Wichtiger sind in diesem historischen Sinne die mannigfaltigen Entwicklungen, die zur "Wiener Klassik" führten.
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Die Oper
Das 18. Jahrhundert war geprägt vonm System der italienischen Hofoper. Nahezu jedes Land (außer Frankreich) war von ihr regelrecht besessen. Vor allem in Deutschland und Österreich hatte sie eine enorme Bedeutung. Das Spektrum der Organisationsformen der Oper reichte von der Hofoper, die zur Unterhaltung und Politisierung der Königshöfe diente, hin zum öffentlichen Theater, das gewinnorientiert war.
Gegen Mitte des Jahrhunderts war die im letzten Kapitel (Die Barockzeit) schon erwähnte metastasianische Oper (die "Opera seria") der in ganz Europa vorherrschende Operntypus. Sie ist geprägt von einem ständigen Wechsel zwischen Secco-Rezitativ, Accompagnato-Rezitativ und Arie. Das Secco-Rezitativ entwickelt in naturalistisch komponierter Rede die Handlung weiter – das Accompagnato-Rezitativ steht meist vor einer Arie und ist Ausdruck einer starken Empfindung, in der dann die Arie musikalisch “badet”. Die Arien sind durchweg in Da-Capo-Form (ABA) komponiert: Der Erste Teil "A" schildert die Grundstimmung der singenden Person, der Teil "B" zeigt einen anderen Gedanken, ein dazu passendes, aber meist kontrastierendes Gefühl auf, was vom Grundaffekt aber wieder übertrumpft wird von "A". Um zu verstehen, warum es in der Wiederholung des A‑Teils Mode war zu verzieren, kann man Folgendes anführen: Erstens wäre es – im pracht- und schmuckvollen Zeitgeist gedacht – langweilig, exakt die gleiche Musik zweimal zu hören. Eine zweite Überlegung: Durch den Gedanken des B‑Teils kann die anschließende Wiederholung des A‑Teils nicht genauso gesungen werden wie der A‑Teil selbst. Ihm ist schließlich eine andere Überlegung (B) vorausgegangen. Der europäische Spitzenreiter dieser metastasianischen Opera seria war Johann Adolph Hasse (1699–1783). Er machte als Dresdner Hofkomponist die Stadt zum Zentrum italienischer Opernpflege.
Gegen 1740 machten sich neue Entwicklungen innerhalb der Opera seria bemerkbar: Die Secco-Rezitative verloren, die Accompagnato-Rezitative gewannen an Bedeutung, immer mehr Ensembles und Chöre kamen ins Spiel und die strenge Da-Capo-Form der Arie wurde allmählich aufgelöst. Ein Komponist, der sich dieser sogenannten "zunehmenden Musikalisierung" widmete, war Johann Christian Bach (1735–1782), einer der Söhne Johann Sebastians. Er war prägend für diese Übergangszeit und hatte einen nicht unerheblichen Einfluss auf Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791).
Je beliebter und erfolgreicher die Opera seria wurde, desto stärker wurde sie jedoch auch kritisiert. Sowohl die Kritik am Opernbetrieb, wie auch an der hohen Bedeutung der Musik gegenüber dem Drama und dem Inhalt führte zu einigen parallel stattfindenden Opernreformen. Der bekannteste Reformator der Opera seria war Christoph Willibald Gluck (1717–1787). Er war der Meinung, dass die Musik dem Drama dienen und sie deshalb einfacher, "wahrer" und natürlicher sein sollte. Wieder herrschte das Ideal der Antiken Tragödie vor: Sowohl inhaltlich (antike Stoffe wurden vertont), als auch vom (angenommenen) Aufbau und Ablauf. Durch diese Veränderungen und nicht zuletzt durch das Ersetzen der Da-Capo-Arie durch einfachere Formen hatte die "Reformoper" Glucks formal nicht mehr viel mit der metastasianischen Oper gemein. Deutlich wird dies beispielsweise in einer Arie aus Glucks Reformoper "Paride ed Elena".
Noch war er mit dieser Arie nicht von der Da-Capo-Form abgewichen, aber verziert werden sollte die Wiederholung des A‑Teils nicht. Dazu ein Originalzitat von Gluck: "Als ich es unternahm, die Oper Alceste in Musik zu setzen, war meine Absicht, alle jene Missbräuche, welche die falsch angebrachte Eitelkeit der Sänger, und die allzu grosse Gefälligkeit der Komponisten in die italische Oper eingeführt hatten, sorgfältig zu vermeiden, Missbräuche, die eines der schönsten und prächtigsten Schauspiele zum langweiligsten und lächerlichsten herabgewürdigt haben. Ich suchte daher die Musik zu ihrer wahren Bestimmung zurückzuführen, das ist: die Dichtung zu unterstützen, um den Ausdruck der Gefühle und das Interesse der Situationen zu verstärken, ohne die Handlung zu unterbrechen, oder durch unnütze Verzierungen zu entstellen."
Mit einer weiteren Differenzierung der Arienformen, der Durchmischung von Elementen der Opera seria und der Opera buffa, der weiter zunehmenden Musikalisierung und der Abkehr von den Libretti Metastasios entwickelte sich die Opera seria weiter bis hin zu den Opern Mozarts (der allerdings Metastasio treu blieb). Die wachsende Bedeutung von Ensembles (nicht nur in der Opera buffa) wird in den berühmten Finali von Mozart deutlich.
Als direkter Gegensatz zur Opera seria entstand die "Opera buffa" um 1750 in Venedig. Weitgehend unabhängig von Formschemata passte sich die Musik flexibel dem sich ändernden Text an. Die Sprache wurde naturalistischer als in der Opera seria, die Musik im weitesten Sinne "unkonventioneller". Da die Opera buffa so abwechslungsreicher und überraschender daherkam, war sie seit ungefähr 1780 die herrschende Operngattung und hatte enormen Einfluss auf die Opera seria. Ihr Inhalt war komischer Art, zur Belustigung gedacht. In Wien beherrschten Antonio Salieri (1750–1825) und Joseph Haydn (1732–1809) das Feld der Opera buffa. Mozarts Werke mit dieser Gattungsbezeichnung (vor allem die späteren Werke) stehen allerdings weitgehend für sich und sprengen die Gattungstradition.
Da die italienische Oper so beliebt war, hatte es eine eigenständige deutsche Oper sehr schwer und konnte sich nicht durchsetzen. Zwei Gattungen der Bühnenmusik konnten sich aber daneben etablieren:
- Das Melodram: Gesprochenes Wort, durchmischt mit Instrumentalmusik. Gesungen wird nicht. Der bedeutende Komponist dieser Gattung ist Georg Benda.
- Das Singspiel: Diese Gattung entwickelt sich parallel in Deutschland und Wien, fußend auf unterschiedlichen Traditionen. Die Form ist aber weitgehend gleich: Deutscher, gesprochener Text wird durchsetzt mit Musikeinlagen unterschiedlichster Art. Es handelt sich um Komödien. Mozarts "Bastien und Bastienne" ist wohl das berühmteste Singspiel. Aber auch "Die Zauberflöte" gehört zu dieser Gattung.
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Die Symphonie
Die Bezeichnung "Symphonia" wird aufgrund ihrer universellen Bedeutung (es heißt übersetzt: "Zusammenklingen") auf viele Gattungen des 16. und 17. Jahrhunderts angewendet. Die Symphonie, wie wir sie heute als mehrsätziges Stück für größeres Orchester kennen, entstammt der Tradition der italienischen Opernsinfonie (also dem Vorspiel zu einer Oper). Ihre Tempofolge (schnell-langsam-schnell) verselbstständigte und erweiterte sich und wurde so zur eigenständigen Symphonie. Alessandro Scarlattis Oper "Telemaco" (1718) beginnt mit einer typisch italienischen Opernsinfonia.
Obwohl in der kompositorischen Ausführung und Kombination der Sätze innerhalb der Gattung sehr viele unterschiedliche Varianten auftraten, kann man doch einen Formplan aufstellen, der für die Mehrheit der Kompositionen gilt: Der erste Satz ist der wichtigste und sehr oft nach dem Prinzip des Sonatenhauptsatzes aufgebaut – DEM wichtigsten kompositorischen Prinzip der Wiener Klassik (Informationen zur Sonatenhauptsatzform: lehrklaenge.de). Der zweite Satz ist meist langsam und hat entweder eine ABA-Form, eine Rondoform, oder ist ein Variationssatz. Der dritte Satz (der viersätzigen Symphonie) ist in einem Dreiertakt und in ABA-Form, der vierte Satz ist meist ein Rondo, später tauchen an dessen Stelle Sonatenhauptsätze auf.
Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Symphonie war, dass sich sowohl die Zusammensetzung der Orchester als auch die Bedeutung der verschiedenen Instrumente änderte. Die Blasinstrumente entwickelten sich baulich zunehmend weiter und wurden nicht nur als Soloinstrumente, sondern auch als Bläsergruppe den Streichern ebenbürtig. Die Bassinstrumente verloren ihre bloße Continuo-Funktion und wurden selbstständig. Die Tasteninstrumente verschwanden aus dem Orchesterbild, weil der Generalbass nun keine Rolle mehr spielte. Die Einrichtung eines öffentlichen Konzertlebens (also Konzertreihen und Abonnementkonzerte) führte dazu, dass die Symphonie so beliebt und wichtig wurde.
Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788), auch der Berliner oder Hamburger Bach genannt, komponierte den Norddeutschen Typus der dreisätzigen Symphonie. Nicht nur kann man sehr gut den Schnell-langsam-schnell-Aufbau mitverfolgen, darüber hinaus kann man auch die Rückentwicklung des Generalbasses sehr gut beobachten: Er ist oft noch da, aber oft genug auch schon weggekürzt.
Der große Meister der wienerischen (viersätzigen) Symphonie war Joseph Haydn (1732–1809). Er setzte sich sein ganzes Leben maßgeblich mit dieser Gattung auseinander. Vor allem die konsequente thematische Arbeit innerhalb eines Satzes, das Begreifen der Symphonie als Ganzes und eine thematische Verknüpfung einzelner Sätze miteinander zeichnete seine Arbeit aus. Seine berühmte "Abschiedssymphonie" sollte man bis zum Schluss anhören, damit sich ihr Name erschließt.
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Das Solokonzert
Neben der Symphonie entwickelte sich das Solokonzert zur wichtigsten Gattung des öffentlichen Konzertlebens. Das Solokonzert ist sehr lange von den spätbarocken Festlegungen geprägt worden, die vor allem Antonio Vivaldi vorgenommen hatte. Demnach ist das Solokonzert dreisätzig und in der Ritornellform komponiert (Tutti und Soli wechseln sich ständig ab). Mit Mozart verschmolz dieser barocke Konzerttypus mit den Prinzipien des Sonatenhauptsatzes und ergab damit die klassische Konzertform. Neben der veränderten Form vor allem des Kopfsatzes ist von Bedeutung, dass das Orchester aus seiner Begleitfunktion befreit und zum selbstständigen Partner des Solisten wurde. (Mehr zum formalen Aufbau des klassischen Solokonzerts: grin.com) Das berühmte Klarinettenkonzert von Mozart ist ein gutes Beispiel für die klassische Konzertform. Darüber hinaus adelte Mozart mit dieser Komposition auch das damals relativ neue Instrument, die Klarinette.
Neben dem Solokonzert gab es auch die sogenannte "Symphonie concertante", gewissermaßen ein Hybrid zwischen dem Solokonzert und der Symphonie. Formal ist sie ein Solokonzert mit mehreren Solisten. Mozarts Concerto für Flöte und Harfe soll hier beispielgebend sein.
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Das Streichquartett
Das 18. Jahrhundert ist nicht nur die Zeit der immer wichtiger und größer werdenden Orchester, sondern auch der an Bedeutung zunehmenden Kammermusik, die immer mehr eigens für ein musikalisch gebildetes Publikum komponiert wird. Neben den Gattungen Streichtrio, Streichquintett und ‑sextett, Kammermusik mit Blasinstrumenten und mit Klavier sticht vor allem das Streichquartett heraus, dessen Begründung und gleichzeitig Krönung von Joseph Haydn ausgeht. Historisch nimmt man für das Streichquartett mehrere unterschiedliche Wurzeln und Entwicklungsstränge an, die zu erklären recht kompliziert wäre.
Das Streichquartett besteht aus vier Streichern: zwei Violinen, einer Viola und einem Violoncello. Alle vier Stimmen sind individuell und gleichberechtigt. Die Gattung besteht grundsätzlich aus vier Sätzen, wobei zumindest der Kopfsatz wieder im Sonatenhauptsatz gestaltet ist. Sind in Wien Haydn und Mozart die beiden Hauptakteure dieser Gattung, spielt in Italien Luigi Boccherini eine große Rolle. Wenn man so will, ist dieses Stück von Haydn das erste Wiener Streichquartett der Musikgeschichte.
Zum Vergleich ein italienisches Streichquartett von Luigi Boccherini.
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Die Kirchenmusik
Die Kirchenmusik des 18. Jahrhunderts ist, ob katholisch oder evangelisch, von der Aufklärung geprägt. Sie ist eine Geistesbewegung, die schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts auftritt und sich innerhalb der nächsten Jahrzehnte als Haltung durchsetzt. Kurz gesagt geht sie davon aus, dass der Mensch ein Wesen mit Verstand ist und alles hinterfragen sollte, was mit dem Verstand nicht zu erklären ist. Wie man sich denken kann, hatten es die Kirchen in dieser Zeit schwer und deren Unpopularität betraf folglich auch die Kirchenmusik. Die Musikpflege verlagerte sich vor allem auf weltliche Instrumentalmusik, die in weltlichen Räumen wie Konzerthäuser, Theater, Schlösser oder auch im Freien, gespielt wurde.
Die evangelische Kirchenmusik machte nach Bach keine nennenswerten Entwicklungen innerhalb des 18. Jahrhunderts.
Auch die katholische Kirchenmusik bleibt von den Entwicklungen nicht unangefochten, hat aber mit den Komponisten Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart zwei bedeutende Figuren auf ihrer Seite. Sie komponieren unterschiedlichste Messen, Haydn auch zwei Oratorien (“Die Schöpfung” und “Die Jahreszeiten”). Die Farbigkeit und Größe des Orchesters und der Einsatz von Gesangssolist*innen innerhalb eines Chorsatzes sind neue musikalische Entwicklungen innerhalb der katholischen Messvertonungen von Haydn und Mozart. Eine der bekanntesten Messen Mozarts ist die Krönungsmesse. Zum ersten Mal dürfte sie im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten für Kaiser Franz II. in Wien verwendet worden sein. -
Das Lied
Schon in der Barockzeit gab es das sogenannte Generalbasslied. Es war ein solistisch gesungenes Stück Vokalmusik über einem Generalbassfundament. Weiter verallgemeinern kann man die Form der bekannten Generalbasslieder nicht, denn sie differierte stark und konnte entweder ein einfaches Strophenlied oder eine kleine Arie sein.
Für die Weiterentwicklung des Generalbassliedes hin zum Klavierlied (das dann im 19. Jahrhundert seine Blütezeit hat) ist vor allem die Loslösung vom Generalbass wichtig, die gegen 1750/60 gegen eine ausgeschriebene Klavierbegleitung ausgetauscht wird.
Für die Entwicklung des Liedes im Deutschland des 18. Jahrhunderts wird die Stadt Berlin zu einem Mittelpunkt. Die sogenannte erste Berliner Schule (ca. 1750–70) entsteht mit dem Ansinnen, sowohl die Geselligkeit innerhalb der bürgerlichen Kultur mit neuem Liedgut zu unterstützen, als auch eine Vereinfachung der Lieder zu bewirken: Sie sollen nicht mehr so verziert und “gekünstelt” sein wie in der Barockzeit. Das Strophenlied wird zur Norm. Ein berühmter Vertreter dieser Schule ist Carl Philipp Emmanuel Bach.
Die zweite Berliner Schule ab 1770 hingegen möchte sich auf das echte Volkslied rückbesinnen und außerdem zeitgenössische Lyrik (z.B. von Goethe) vertonen. Diese soll auch im Vordergrund stehen: Die Musik hat sich unterzuordnen und dem Text zu dienen. Die wichtigsten Vertreter dieser Schule sind Schulz, Reichardt und Zelter.
Weniger wählerisch bei der Auswahl der Texte war man in Wien: Dort entwickelt sich das Lied mit Einflüssen vor allem der Instrumentalmusik weiter. Zwar haben auch das Singspiel und das Volkslied ihren Einfluss auf die Gattung, aber die Musik bleibt instrumental geprägt. Wie für alle in Wien wichtigen Gattungen der Zeit, sind Mozart und Haydn auch hier von immenser Bedeutung. Zum Abschluss noch drei Lieder von Haydn, von Mozart und von Janos Fusz, dessen Name uns zwar heute nicht mehr so geläufig ist, aber der als einer der Hauptkomponisten der Gattung gilt.