Was kann die Musik einer Kultur von vor 3.000 Jahren mit unserer zu tun haben? Eine ganze Menge! Viele Prinzipien, die für uns heute selbstverständlich sind, stammen aus der griechischen Antike.
Musikgeschichte(n) aus der Quarantäne
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Zusammenfassung
Was kann die Musik einer Kultur von vor 3.000 Jahren mit unserer zu tun haben? Eine ganze Menge! Viele Prinzipien, die für uns heute selbstverständlich sind, stammen aus der griechischen Antike.
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Wer hat's gemacht?
Dieser Artikel wurde mit ♥ für Euch verfasst von Henriette. Henriette studierte Musikwissenschaften in Weimar sowie klassischen Gesang in Leipzig und ist als freischaffende Sängerin tätig. Während des C(h)orona-Shutdowns unterstützt sie die Schola Cantorum mit Beiträgen zur Musikgeschichte und beweist dabei: Wissenschaft ist alles andere als graue Theorie!
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Lesedauer
Lesedauer: 10 Minuten • Musikbeispiele: 4 Minuten
2. Kapitel: Die griechische Musik
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Ein Produkt des Orients
Die erste Folge von "Musikgeschichte(n) aus der Quarantäne" drehte sich um die Frage, woher die Musik als solche kommt. Heute wird die Frage erweitert: Woher kommt die Musik, die sich bei uns, im sogenannten "Abendland" entwickelt hat? Für die Beantwortung dieser Frage spielt vor allem die griechische Musik der Antike eine sehr wichtige Rolle. Sie muss als Grundlage der frühen christlichen und damit "unserer" Musik gesehen werden. Ihre Wurzeln hatte die Musikanschauung der Griechen in den hochentwickelten Kulturen des Orients, zum Beispiel Ägypten, Mesopotamien und China.
Schematische Darstellung des Vorderen Orients, aus dem die griechische Musik vor allem beeinflusst wurde.
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Ein göttliches Geschöpf
Die Griechen glaubten, dass die Musik göttlichen Ursprungs ist. So trifft man beim Lesen griechischer Mythen auf viele "Musik-Geschichten": Apollo spielt die Lyra; Orpheus’ Gesang verschafft ihm Eintritt in die Unterwelt; die singenden Musen gewinnen im Wettstreit mit Thamyris. Diese Anschauung führte dazu, dass auch bei den Griechen Musik nicht als eigenständige Kunstform galt, sondern immer im Zusammenhang mit Feiern, Staatsfesten oder kultischen Veranstaltungen zur Aufführung kam und somit die Verbindung zwischen dem irdischen Leben und den Gottheiten schuf.
Die neun Musen, von denen jede eine andere Kunstform beschützt. (unbekannter Künstler; Foto: Jastrow, Public Domain, via Wikimedia Commons) -
Eine Tragödie!
Der Kult um einen bestimmten Gott, nämlich Dionysos, sollte besonders wichtig für die europäische Kulturgeschichte werden. Im Rahmen von (Dionysien genannten) Feierlichkeiten zu Ehren dieses Gottes fand die erste Aufführung einer griechischen Tragödie im Rahmen eines Dichterwettstreites zur Unterhaltung des Volkes statt. Die wichtigsten Dichter dieser Gattung sind Aischylos, Sophokles und Euripides. In der Tragödie geht es meistens um eine Person, die durch schicksalhafte Verstrickungen immer weiter in eine Katastrophe gerät. Oft wurden philosophische oder auch religiöse Fragestellungen von bis zu drei Schauspielern (die alle Masken trugen) und einem Chor behandelt. Bis auf die Dialoge wurden alle Texte gesungen. Dabei gab es drei Arten des Vortrags:
1. der Parodos (eine Mischung aus Rezitation und Gesang)
2. Gesangsstücke des Chores (in denen auch getanzt wurde)
3. die Monodie (Sologesänge des Schauspielers)Diese Arten des Vortrags sollen in einem späteren Zeitpunkt der Musikgeschichte nochmal von immenser Bedeutung sein...
Auch die Komödie entstand in diesem Zusammenhang, unterschied sich aber inhaltlich sehr von der Tragödie, indem sie sich zum Volk hinwendete und sich über berühmte Persönlichkeiten lustig machte. Übrigens "erfanden" die Griechen in diesem Zuge auch das Theater. Viele unserer heutigen Opernhäuser und Sprechtheater sind nach den gleichen Prinzipien gebaut wie antike römische oder griechische Amphitheater.
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Die Instrumente
Obwohl die griechische Musik vor allem aus gesungener Dichtung bestand, gab es doch Instrumente, die zur Begleitung dieses Gesangs dienten. Selbstständige Instrumentalmusik existierte so gut wie nicht. Im Wesentlichen gab es drei Arten von Instrumenten:
1. Saiteninstrumente (verschiedene Arten von Leiern und Harfen)
2. Blasinstrumente (vor allem der Aulos – eine Flöte, aber auch Trompeten und hydraulische Orgeln)
3. Schlaginstrumente (Zymbel, Tympanon)
Assyrische Lyren, unbekannter Künstler – Popular Science Monthly, Volume 40, gemeinfrei, via Wikimedia Commons
Skizze eines Aulos aus Pompeji; François-Auguste Gevaert (1828–1908) – Bibliothèque nationale de France, gemeinfrei, via Wikimedia CommonsUm einen Eindruck zu bekommen, wie griechische Musik geklungen haben mag, könnt Ihr Euch das folgende Video anschauen. Es handelt sich um eines der wenigen original überlieferten Musikstücke des antiken Griechenlands.
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Musiktheorie
Die großen Denker der griechischen Antike haben sich auch über die Musiktheorie Gedanken gemacht und damit entscheidenden Einfluss auf "unsere" Musik gehabt. Pythagoras zum Beispiel berechnete die Verhältnisse von Intervallen und legte damit die Grundlagen für den Bau und die Stimmung der heutigen Instrumente. Er war es auch, der der Musik eine reinigende Wirkung zusprach. Aristoteles sagte sogar, Musik könne zur Erholung und zum Zeitvertreib dienen (ein bis dahin völlig neuer Gedanke, auch wenn er uns selbstverständlich vorkommen mag). Es gab noch viel mehr Erkenntnisse und Theorien, die hier leider gewaltig den Rahmen sprengen würden. Fest steht: Unser musiktheoretisches Wissen und Denken fußt in genau dieser griechischen Epoche von ca. 600 bis 300 vor Christus.
Idee und Funktionsweise des Monochords von Pythagoras.